Irak – Kurdistan

Es war eine spontane Idee. Warum eigentlich nicht durch den Irak nach Hause fahren?
Es klingt vielleicht nicht wie das beste Reiseziel aber es ist durchaus machbar, jedenfalls in einem Gebiet im Norden des Landes.
Die Kurdenregion hat einige Gesetze die teilweise von den irakischen abweichen.
Unter Anderem gibt es 30 Tage visafreie Einreise.

Ich gebe zu dass ich etwas nervös war als die Grenze in Sicht kam. Immerhin ist der Irak ein Kriegsgebiet.

Die Ausreise aus dem Iran war schnell und einfach. Als der Ausreisestempel in meinen Reisepass sauste, gab es kein zurück mehr. Jetzt musste es durch den Irak gehen.
Kurzzeitig gab es etwas Verwirrung weil ich 20 US Dollar Benzinsteuer zahlen musste. Warum konnte mir niemand erklären und so weigerte ich mich erst einmal. Das Problem ist leider immer wieder, da ist ein großes Tor und ohne alle Papiere geht es im Normalfall nicht auf. Da kann ich mich so lange weigern wie ich will.

Die Einreise in den Irak, oder besser gesagt in die kurdische Region Iraks war Chaos pur.
Ich musste das Auto ausräumen und alles zu einem großen Röntgengerät tragen.
Auch Vesuvio sollte durchgescannt werden, er weigerte sich aber durch das dunkle Loch zu fahren.
Ich mache ja alle Grenzkontrollstrapazen mit aber diesmal ging es ein wenig zu weit.
Nach einigem Protest durfte er schließlich mit mir durch die Personenkontrolle kommen, während meine Bettwäsche und Küchenutensilien durch den Scanner geschickt wurden.

Nachdem keine Raketen in der Marmelade gefunden wurde, wurde ein schicker „Irak“ Stempel in meinen Pass gedrückt. Ves hat leider keinen Stempel bekommen.

Nachdem ich mein Auto wieder eingeräumt hatte wurde in einer Garage noch einmal alles auf Drogen untersucht.

Nach drei Stunden durfte ich schließlich zum letzten Kontrollpunkt fahren wo ich eine gültige KFZ Versicherung vorlegen musste.
Hatte ich natürlich nicht, also nochmal zurück.

Die Versicherung abzuschließen ging relativ schnell. Zuerst zum Makler der noch nie einen deutschen Opel versichert hatte, dann zur Bank und dann noch zu einer zweiten Bank die natürlich ganz wo anders auf dem Zollgelände war.
90 Tage Versicherung (bei 30 Tagen gültigem Visum) 40 US Dollar.
Den Versicherungsschein auszudrucken war ein Abenteuer für sich denn leider war der Drucker kaputt und es dauerte über zwei Stunden ihn zu reparieren.
Alle Beamte waren sehr nett und es gab viel Tee in diversen Büros um die Wartezeit zu überbrücken.
Ich hatte auch eine lustige Videokonferenz mit einem Kurden aus Recklinghausen der versucht hat den Drucker über Ferndiagnose zu reparieren.

Wenn jeder Grenzübertritt so lange dauert wie meiner werden hier nicht sehr viele Menschen einreisen können.
Nach über sechs Stunden öffnete sich schließlich das Tor in den Irak.

Ich bin froh dass ich über die Grenze gefahren bin.
Kurdistan ist super. Das ist mein eigenes Weihnachtsgeschenk.
Es fühlt sich an wie in der Türkei. Das hätte ich niemals erwartet.
Es gibt moderne Einkaufszentren und alles was man sich vorstellen kann.
Die Polizei fährt aufgemotzte Fords, importiert aus den USA und nach zwei Monaten im Iran fühlt es sich fast etwas seltsam an Frauen ohne Kopftuch zu sehen.

Die Menschen sind sehr freundlich. Viele Kurden haben Familie in Deutschland und ich habe in den letzten drei Tagen öfters Videochats mit deutschen Wohnzimmern gehabt als jemals zuvor.

Hier fahren keine alten iranischen LKW und schon gar keine russischen.
Alte deutsche Autos teilen sich die Straße mit modernsten Oberklassewagen. BMW, Porsche, Cheverolett und Dodge, alles ist vertreten. Beherrscht wird die Straße aber natürlich von dicken Toyota Pick-Ups.

Der Handel mit der Türkei floriert und an der Grenze stauen sich die LKWs in beide Richtungen.

Hier fahren die Leute mit Licht, es wird geblinkt und eine rote Ampel bedeutet (meistens) stehen bleiben.
Ich musste mich erst wieder daran gewöhnen und durfte mir ein paar wilde Hupereien anhören weil ich nicht damit gerechnet habe dass sich hier irgendjemand an Verkehrsregeln halten würde.
Bevor ich zurück nach Europa komme muss ich da noch etwas nachbessern.

Jeder weiß hier dass die Deutschen die kurdische Peschmerga Armee im Kampf gegen Saddam Hussein und den IS unterstützt hat. Auch in der Entwicklung und dem Infrastrukturaufbau spielt Deutschland und die EU eine große Rolle. Wir genießen hier ein hohes Ansehen.

Lustig ist, viele Iraner haben mich davor gewarnt hierher zu fahren und hier warnt mich jeder Zweite vor dem Iran wo ich eine wirklich gute Zeit hatte.

Auf dem Weg Richtung Türkei führt die Straße nur 40 km an der Stadt Mosul vorbei, eine heftig umkämpfte Stadt im Krieg gegen den IS. Ich habe versucht abzubiegen, wurde aber von der kurdischen Armee aufgehalten. Vielleicht diesmal nicht ganz verkehrt.

Die Straße verläuft zwischen Flüchtlingslagern auf der einen und einer unsichtbaren Sperrlinie auf der anderen Seite.
Mit patrolierenden Panzerwagen und vermummten Soldaten ist es teilweise ein beklemmendes Gefühl.

An einem Militärcheckpoint zeigt eine große Tafel Werbung für ein Fitnesstudio und direkt darunter hängt ein Schild das auf die Gefahr verschiedenster Mienentypen aufmerksam macht.
Eine seltsame Welt. Außerhalb der stark gesicherten Checkpoints sind überraschend wenig Waffen zu sehen.

Ich habe noch einen weiten Weg vor mir und werde ja Anfang Februar schon wieder arbeiten.
Schade eigentlich denn hier wäre ich gerne noch länger geblieben. Es führt wohl kein Weg daran vorbei. Ich muss nochmal zurückkommen.

Frohe Weihnachten.

 

Das obligatorische Foto
Einkaufszentrum in Erbil, Kurdistan, Irak
ALLES muss durch den Scanner

Bunkeranlage der kurdischen Armee
Auf dem richtigen Weg?
Flüchtlingslager in Sichtweite
Ves genießt die Fahrt
Deutsche Entwicklungshilfe
Eine kalte Nacht an der Grenze